Nachstehend versucht der Autor dieser Website eine chronologische Aufarbeitung des Kosovo-Krieges.
Von der Geschichte des Konfliktgebietes, über die Beweggründe der Handelnden in Jugoslawien und der Allianz, bis hin zu den
Widersprüchen in der Beteiligung der NATO. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und ist nicht als offizielle
Meinung der Reservistenkameradschaft Rimpar oder des Reservistenverbandes zu verstehen! Chronologie des Konfliktes Das Problem mit dem UN-Mandat Das Massaker von Racak Letzte Chance Rambouillet Der Krieg beginnt Verstoß gegen Art. 26 GG ? Gab es die humanitäre Katastrophe ? Die Propaganda beginnt Die KZ-Behauptung Der Hufeisenplan Das Massaker von Rugovo Massengräber ? Warum der Krieg ? Quellennachweise ![]() Im 7. Jahrhundert wandern Serben in das Gebiet ein und gründen ein Reich mit dem Zentrum im Kosovo, welches zeitweise bis nach Griechenland reicht. 1389 besiegen die Osmanen die Serben auf dem "Amselfeld". 1878 bekommen die Serben ihre Unabhängigkeit. Das Kosovo ist inzwischen stark von islamisierten Albanern besiedelt. Bis 1912 gehört das Kosovo zum osmanischen Reich. 1913 wird es Teil des "Königreich Serbien". 1945 wird es unter dem kommunistischen System Jugoslawiens autonomes Gebiet innerhalb der Republik Serbien. 1963 wird es autonome Provinz. 1974 erhält es in der neuen Verfassung unter "Tito" einen autonomen Status innerhalb Serbiens. Bis auf das Recht zur Abtrennung erhält es faktisch alle Rechte einer Teilprovinz. Die Stärkung der Rechte der Albaner führt in der Folge zu einem Anstieg des Nationalismus. Als 1981 Spannungen zwischen den Albanern und der serbischen Minderheit zum einem Aufstand der Kosovo-Albaner mit der Forderung nach Abtrennung von Jugoslawien führen, verhängt dieses das Kriegsrecht. ![]() ![]() Anfang 1987 wird Slobodan Milosevic Vorsitzender der kommunistischen Partei Serbiens. Als er im April den Kosovo besucht, schürt er serbisch-nationalistische Emotionen gegen die Albaner. Im Herbst wird er Präsident der Republik Serbien. 1989 stellt Jugoslawien den Kosovo unter Ausnahmezustand und hebt seine Autonomie auf, worauf es zu Protesten kommt. Die VerfassungJugoslawiens erhält Zusätze, mit dem das Land als "einheitliche Republik" definiert wird. Bei der 600-Jahr-Feier der Schlacht auf dem Amselfeld kündigt Milosevic "neue Schlachten" an. Im Juni 1990 geht Jugoslawische Polizei gegen albanische Demonstranten im Kosovo vor und löst die albanische Polizei auf. Truppen werden in den Kosovo verlegt und der Autonomiestatus der Region endgültig aufgehoben. Albanische Vertretungsorgane im Kosovo erklären im Juli die "Unabhängigkeit der Republik Kosova". Als Reaktion lässt Milosevic durch serbische Polizei und Armee Regierung und Parlament des Kosovo auflösen. Es folgt eine ganze Reihe von Repressionen wie z.B. das Verbot serbisch-kritischer Medien. Eine "Serbisierungskampagne" wird gestartet. Im September beginnt im Kosovo ein Generalstreik gegen die Repressionen. Mitte 1991 erklären Kroatien und Slowenien ihre Unabhängigkeit von Serbien. Im Herbst gibt es ein von albanischer Seite organisiertes Referendum für die "Unabhängigkeit des Kosovo" und die Sezession von Jugoslawien. Im Anschluß wird die "Republik Kosova" ausgerufen, aber lediglich von Albanien anerkannt. Im Januar 1992 erkennt die EU lediglich die Autonomie von Kroatien und Slowenien an. Einzig Albanien unter dem neu gewählten Präsidenten Berisha stellt sich auf die Seite des Kosovo. Er bietet den Kosovo-Albanern die Albanische Staatsbürgerschaft an und spricht sich für die Unabhängigkeit des Kosovo aus. Nach europäischen Protesten schwenkt er aber auf eine moderatere Linie ein. Im selben Jahr vereinbaren die Außenminister der EU-Staaten erstmals, künftig den Eingriff in die "Inneren Angelegenheiten" eines Staates bei vorliegen von Verstößen gegen die Menschenrechte als höherwertig zu betrachten, denn die Souveränität der Staaten. ![]() Ein Jahr später gründet sich die albanische Untergrundorganisation LKCK, welche ihr Ziel der Vereinigung aller Albaner mit bewaffnetem Kampf erreichen will. Im Herbst 1994 fordert Rugova die Schaffung einer Konförderation zwischen Kosovo und Albanien. 1995 tritt erstmals die "Kosovo-Befreiungsarmee" UCK auf. Die Exilregierung des Kosovo fordert die UN auf, den Kosovo zur UN-Schutzzone zu erklären. Der Westen ist aber mit dem Konflikt um Bosnien-Herzegowina beschäftigt, bei dem es im Dezember zum "Abkommen von Dayton" kommt. Milosevic gewinnt dadurch einen Teil seines politischen Ansehens im Westen zurück. 1996 führt die UCK eine Reihe von Anschlägen gegen serbische Einrichtungen, serbische Polizei, Zivilisten und "albanische Kollaborateure" durch. Serbische Polizei geht daraufhin verstärkt gegen die UCK vor. Im Mai fordert die "Bosnien-Kontaktgruppe" (USA, Russland, GB, F, I, D) Belgrad zur Herstellung einer weitgehenden Autonomie für das Kosovo auf. Die USA erklären notfalls zum militärischen Eingriff bereit zu sein. Im September vereinbaren Rugova und Milosevic eine "Ausbildungsnormalisierung", die aber nie wirksam wird. Im Oktober vereinbaren die BRJ und Deutschland die Rückführung von 100.000 albanischen Asylanten in den Kosovo. 1997 wird der serbische Direktor der Universität Pristina (Kosovo) wird durch eine Autobombe schwer verletzt. In den folgenden Wochen werden Dutzende von Albanern verhaftet, während die andere Seite immer wieder Polizeistationen der Serben überfällt. Als im Oktober der Milosevic-Kritiker Djukanovic bei den Präsidentenwahlen in Montenegro eine knappe Mehrheit gegen den Milosevic-Anhänger Bulatovic erringt, erkennt Belgrad die Wahl nicht an. Im November schlagen der Deutsche und der Französische Außenminister Milosevic eine Lösung der Kosovofrage "auf europäischer Ebene vor" und versprechen die Wiederaufnahme von diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur EU sowie die Reorganisation der jugoslawischen OSZE-Mitgliedschaft, falls Belgrad darauf eingeht. 1998 beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Im März beginnt Belgrad mit militärischen Operationen gegen die UCK vor allem in der Region Srbica. Aber auch gegen friedliche Demonstrationen geht die serbische Polizei in aller Härte vor. Die "Bosnien-Kontaktgruppe" will nun Milosevic mit Druck zu einer Autonomielösung für den Kosovo bewegen, verurteilt gleichzeitig den "Albanischen Terrorismus". USA droht im Fall weiterer serbischer Provokationen mit militärischer Intervention. Die zweiten Albanischen Wahlen für eine Exilregierung bestätigt Ibrahim Rugova, wird jedoch von Belgrad für illegal erklärt. Selbst die UCK erkennt die Exilregierung nicht an. Im April lässt Milosevic eine Volksabstimmung über die Internationalisierung des Kosovo-Konfliktes durchführen, welche die albanische Bevölkerung aber boykottiert und die deshalb mit 94,7 % gegen das Votum ausfällt. Im Mai treffen sich Rugova und Milosevic in Belgrad und vereinbaren Verhandlungen zur Beilegung der Krise. Dies wird Rugova von verschiedenen albanischen Interessengruppen als "Kapitulation" vorgeworfen. Ende Mai vereinbaren die EU-Außenminister bei ihrem Frühjahrstreffen eine Ausweitung oder Verschärfung des Kosovo-Konfliktes notfalls mit militärischen Mitteln Einhalt gebieten zu wollen. Anfang Juni verschärft die EU die Sanktionen gegen Belgrad. Die UNO berichtet von rund 50.000 Flüchtlingen aus dem Kosovo. Nach Überfällen auf albanische Dörfer sagen albanische Vertreter geplante Gespräche mit Belgrad ab, woraufhin die USA erklären ihre Vorbereitungen für eine Intervention zu beschleunigen. Bei der Frühjahrstagung der EU-Verteidigungsminister werden erstmals militärische Schläge der NATO gegen Ziele in der ganzen BRJ in Erwägung gezogen. Bei diplomatischen Gesprächen mit Russland macht Milosevic Zugeständnisse, lehnt jedoch einen Rückzug der serbischen Sicherheitskräfte ab. Die USA erklären daraufhin die Gespräche für gescheitert. Albanien fordert sofortige Intervention der NATO. Die "Parlamentarische Partei Kosovo" bietet sich der UCK als "politische Plattform" an. Ende Juni beginnt eine Großoffensive serbischer Truppen gegen die UCK im Kosovo. Im Juli erklärt die UCK, dass sie jede politische Kraft im Kosovo - insbesondere Präsident Rugova - ablehnt; sich auf keinen Dialog mit Belgrad mehr einlassen und ihren Freiheitskampf militärisch bis zum Ende führen will. Amnesty International beschuldigt die UCK "übermäßiger Gewaltanwendung", Entführung und Tötung serbischer Zivilisten, sowie internationalen Hilfsorganisationen den Zugang in das Konfliktgebiet zu verwehren. Albanien versetzt seine Truppen in Alarmbereitschaft. Das türkische Parlament ermächtigt die Regierung zur Entsendung von Truppen. Nachdem EU-Beauftragte die albanische Führung gedrängt haben, sich auf eine gemeinsame Plattform zur Aufnahme von Verhandlungen mit Belgrad zu verständigen, erklärt Milosevic die Offensive im Kosovo für beendet und sagt der EU Zurückhaltung zu. Doch bereits im August fordert Rugova die UNO auf, die "serbische Militärmaschine" zu stoppen. Das US-Verteidigungsministerium signalisiert, dass die Pläne für eine Intervention nahezu abgeschlossen seien. Nun müsse sich für oder gegen einen Angriff entschieden werden. Frankreichs Präsident Jacques Chirac erklärt das dies ohne Zustimmung Russlands nicht möglich sei und sieht als Vorraussetzung eine Einigung im UN-Sicherheitsrat. Zeitgleich werden die bisher schwersten Auseinandersetzungen zwischen der UCK und den serbischen Kräften gemeldet, woraufhin der UN-Sicherheitsrat die Konfliktparteien zu einem Waffenstillstand aufruft. UN-Generalsekretär Kofi Annan beschuldigt NATO und EU einer Mitschuld an der Eskalation, da sie Maßnahmen zur Durchsetzung des Waffenembargos versäumt haben. Der NATO-Rat erteilt dem Oberkommandieren Europa Planungsauftrag zur Bereitstellung von Truppenkontingenten für einen möglichen Einsatz im Kosovo. ![]() ![]() Zwar ist es richtig, dass es bis dahin keine "Massenflucht" aus dem Kosovo gab. Die Lageeinschätzung des AA dürfte aber in zynischer Weise die Wirklichkeit mißachten. Vertreibung und Flucht aus dem Kosovo haben nicht erst mit den NATO-Bombardements auf Jugoslawien begonnen: Schon seit Beginn der achtziger Jahre berichten z.B. nach Österreich geflohene Kosovo-Albaner von Verhören, Verhaftungen, Hausdurchsuchungen, Mißhandlungen, der Zerschlagung des alternativen Schulsystems und anderen weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen. Seit 1995 kamen jährlich über tausend Flüchtlinge aus der Bundesrepublik Jugoslawien allein nach Österreich. 1998 waren es 6.647, der Großteil von ihnen ethnische Albaner aus dem Kosovo. Insgesamt befinden sich hunderttausende Ende 1998 auf der Flucht aus ihren zerstörten Dörfern und Städten. ![]() Das Problem mit dem UN-Mandat Bereits frühzeitig hatten die NATO-Staaten sich um ein UN-Mandat für einen Eingriff im Kosovo bemüht. Bis zum Kosovo-Konflikt galt ein UN-Mandat als absolutes "muß" für einen militärischen Einsatz. Ohne ein solches Mandat nach Art. VII der UN-Charta wären die Mitgliedsstaaten der UNO nicht zum Eingriff berechtigt. Es gab nur zwei Probleme: 1. Die UN-Charta sagt eindeutig, dass die Mitgliedsstaaten der UNO nicht zum Eingriff in die "inneren Angelegenheiten" eines Staates berechtigt sind. Da aber der Kosovo einzig von Albanien als eigener Staat anerkannt war, zählte er faktisch zur Bundesrepublik Jugoslawien. 2. Russland und China weigerten sich einem UN-Mandat zuzustimmen, welches zu Eingriffen in Jugoslawien berechtigt hätte, und stellten als Mitglieder des Sicherheitsrates der UNO ihr VETO in Aussicht. Im September 98 scheiterten die Bemühungen um ein UN-Mandat endgültig. In einer Resolution der UNO wurde zwar die Unterdrückungspolitik der Serben verurteilt und verschiedene Forderungen an Belgrad formuliert, aber die Legitimation von Luftangriffen und anderer militärischer Maßnahmen scheiterten am VETO Russlands. Normalerweise hätten die anderen Länder dann eine "Vollversammlung" der UNO verlangen können. Diese hätte das Veto Russlands überstimmen und die NATO zu den Luftangriffen legitimieren können. Dies aber geschah nicht. Erst nach Beginn der Angriffe der NATO auf Jugoslawien wurde das Vorgehen der Allianz nachträglich von der Vollversammlung gebilligt. Schon 1993 hatte der damalige US-Präsdent Bill Clinton in einem geheimen Regierungspapier festgelegt: "Mit der UN wenn möglich, ohne sie wenn nötig." Die NATO, so der Tenor des Papiers, solle die Entscheidungskriterien für die UN festlegen - nicht umgekehrt. Hier aber ging es nicht nur um amerikanische Regierungspolitik, sondern um einen multinationalen Einsatz. Also versuchte man eine "andere Legitimation" zu finden. NATO-Generalsekretär Javier Solana schlug bereits im Juni 98 vor, den Einsatz auf Grundlage eines OSZE-Mandats zu machen; wohl wissend das die OSZE gar keine "Kampfmandate" erteilen kann sondern ausschließlich Mandate für friedenserhaltende Maßnahmen wenn beide Konfliktparteien zustimmen. Vereinzelt wurde auch versucht die Legitimation aus der Übereinkunft der EU-Aussenminister abzuleiten, nach der auch der Eingriff in innere Angelegenheiten eines Staates bei vorliegen von Menschenrechtsverletzungen möglich sein sollte. Schließlich wurde in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, Russland und China seien am fehlenden UN-Mandat schuld und man müsse den Einsatz wegen der drohenden humanitären Katastrophe nun leider ohne Mandat trotzdem machen. ![]() Das Massaker von Racak Am Morgen des 16.01.99 entdecken Journalisten zusammen mit OSZE-Beobachtern im Dorf Racak gegen 09.00 Uhr einen Graben mit über 40 Leichen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Ort wieder in der Hand der UCK. Die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Helsinki sprach mit Angehörigen und Augenzeugen der serbischen Operation vom 15. Januar. Racak wurde von serbischen Einheiten gegen 06.30 Uhr umstellt. UCK und Bevölkerung floh aus dem Ort. Eine Augenzeugin sah mindestens 40 Polizisten, die aus einer Distanz von 20 Metern vom Berg herab das Feuer auf die Fliehenden eröffneten. Ihr Mann und ihr Sohn wurden von Kugeln getroffen und blieben liegen. Ein 70 Jahre alter Mann aus derselben Gruppe beobachtete, wie sein 22-jähriger Enkel erschossen und seine 18-jährige Enkelin mit ihrer Mutter verwundet wurden. Die Dorfbewohner, die es nicht aus dem Dorf heraus schafften, versteckten sich im Haus von Sadik Osmani. Gegen 11 Uhr holte die serbische Polizei 30 Männer aus dem Haus. Sie mußten sich im Hof auf den Boden legen. Gegen 13 Uhr wurden 23 Männer von der Polizei abgeführt. Die im Haus zurückgebliebenen vermuten, dass die Polizei die Männer zur Wache nach Shtime/Stimlje mitnahm. Gegen 15 Uhr hörte ein Albaner Schüsse aus der Richtung, wo später die Leichen gefunden wurden. Die Beobachter der OSZE wurden am 15.1.1999 nach eigenen Angaben von den serbischen Truppen daran gehindert, den Ort Racak zu betreten. Sie seien erst am späten Nachmittag in das Dorf gefahren und hätten unbestätigte Berichte gehört, wonach Frauen und Männer getrennt und die Männer von den serbischen Truppen abgeführt worden seien. Am Mittag des 16. Januar trifft William Walker, Chef der OSZE-Verifizierungs-Mission, am Ort ein und drückt seine Empörung aus. Relativ schnell aber tauchen Ungereimtheiten auf. Schon am 19. Januar berichtet die New York Times, dass US-Außenministerin Madeleine Albright nach Aussage eines anonymen Repräsentanten der Regierung, bereits Informationen über die Ereignisse in Racak gehabt hätte und sie bereits "virtuell" anklagt hätte - einen Tag, bevor das "Massaker in Racak" "entdeckt" wurde. Am 20. Januar erscheint in einem Leitartikel der französischen Tageszeitung Le Figaro eine chronologische Darstellung der Ereignisse vom 15. Januar. "Bei Dämmerung haben serbische Polizeikräfte das Dorf Racak, bekannt als Hochburg der separatistischen UCK-Guerillas, umstellt und dann angegriffen. Die Polizei schien nichts zu verbergen zu haben, ab 8.30 Uhr lud sie ein Femsehteam (zwei Journalisten von AP TV) ein, um die Polizeiaktion zu filmen. Die OSZE wurde ebenfalls vorgewarnt, die daraufhin zwei Wagen mit amerikanische Diplomatenlizenz zum Schauplatz schickte. Die Beobachter postierten sich den ganzen Tag auf einem Hügel, von dem sie das Dorf beobachten konnten. Um 15.30 Uhr verließen die Polizeikräfte, gefolgt vom AP TV-Team, den Ort und transportieren dabei erbeutete Waffen ab. ![]() Die Bilder, welche die Journalisten von AP TV aufgenommen haben, zeigen dass der Schußwechsel sehr stark wurde, als die Polizisten eng an die Mauern gedrückt von den UCK-Schützengräben in den Hügeln unter Feuer genommen wurden. Die AP-Journalisten, die das Geschehen von unten, nahe der Moschee beobachteten, registrierten verzweifelte Ausbruchsversuche der eingekesselten UCK-Guerillas. Die Kämpfe nahmen auf den Hügeln oberhalb des Dorfes noch an Intensität zu. Es stellt sich die Frage, wie die serbische Polizei die Gruppe von Männern sammeln und ruhig zum Exekutionsplatz hätte führen können, während sie ununterbrochen unter dem Feuer der UCK-Kämpfer lag. Wieso wurde der Graben mit den Leichen nicht am selben Abend von Ortsansässigen oder den nach zivilen Opfern suchenden OSZE-Beobachtern entdeckt? Wieso wurde nach dem Verbleib der weggeführten Männer nicht gleich geforscht? Nach Darstellung der serbischen Seite gab es kein Massaker. Vielmehr wären die während der Kämpfe gefallenen UCK-Kämpfer von dieser in Zivilkleidung gesteckt und am Auffindeort zusammen getragen worden. Tatsächlich finden am Samstagmorgen die Journalisten nur sehr wenig Patronen in der Umgebung des Grabens, bei dem das Massaker stattgefunden haben soll. Auch fehlt die Menge an Blut und Gehirnmasse, die hier zu finden sein müsste. Versuchte die UCK eine Niederlage in einen politischen Sieg umzuwandeln? Der amerikanischen Tageszeitung Washington Post zufolge allerdings, hörten US-Geheimdienste am 15. Januar eine Reihe von Telefongesprächen zwischen dem serbischen Vizepremier Nikola Sainovic und dem serbischen Innenminister General Sreten Lukic ab, in denen Sainovic sich aus Belgrad nach dem Stand der laufenden Operation in Racak erkundigte. Aus Sorge vor internationalen Protesten, so die Zeitung, erörterten die serbischen Minister die nächsten Schritte nach dem Massaker. In der Folge kamen am 17. Januar die serbischen Truppen zurück und griffen das Dorf erneut an. Etwa hundert Menschen, Journalisten, die OSZE und Einheimische, hielten sich im Dorf auf. Sie flüchteten und die aufgebahrten Leichen blieben unbewacht in der Moschee zurück. Nach dem erneuten Angriff werden die Leichen von der serbischen Polizei in das serbische Forensische Institut nach Pristina gebracht. Der Chefanklägerin des Internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Louise Arbour, verweigerten die serbischen Behörden am 19. Januar die Einreise in den Kosovo. Ein serbisch-belorussisches Team beginnt am gleichen Tag mit einer Autopsie, ohne auf das Eintreffen der unabhängigen finnischen Expertenkommission zu warten und ohne die von dieser erbetenen Röntgenaufnahmen zuvor anzufertigen. Am 21. Januar traf dann auch das finnische Team unter Leitung von Helena Ranta ein. Jetzt erklärt das serbisch-belorussische Team, keine einzige Leiche weise Spuren einer Exekution auf. Da aber dieses Team nicht über die notwendige Ausrüstung für eine ordnungsgemäße Autopsie verfügte, kritisiert die finnische Expertin die Aussage als verfrüht. Außerdem wies sie die Methode eines Paraffintests, den die serbischen Behörden zur Feststellung von Schmauchspuren verwendet hatten, als überholt zurück. Da die Leichen zwischen dem 17. und dem 21. Januar einer neutralen Untersuchung entzogen waren, waren Manipulationen an ihnen durchaus möglich. In ihrem eigenen Abschlußbericht kommt die finnische Kommission zu dem Schluß, dass es sich bei den Toten um albanische Zivilisten gehandelt habe, die einem "Verbrechen an der Menschlichkeit" zum Opfer gefallen sind. Auf die These von gefallenen UCK-Kämpfern, die zu zivilen Opfern wurden, geht der Bericht allerdings nicht ein. Dagegen vermerkt er, dass nicht festgestellt werden konnte, ob die untersuchten Leichen wirklich aus Racak stammten. Sie hätten teilweise bis zu 20 Einschüsse, aber nur an einer seien Schmauchspuren - Hinweis für eine Exekution - gefunden worden. Der Untersuchungsbericht ist also weder ein Beweis für ein Massaker, noch für die serbische These. ![]() Letzte Chance Rambouillet Im Februar 1999 beginnen die Verhandlungen von Rambouillet. Dabei geht es um ein Abkommen, dessen Text zuvor in zähem Ringen vor allem von der Balkan-Kontaktgruppe ausgehandelt wurde. Die Albaner haben endlich unterschrieben. Nun geht es darum, die Serben zur Unterschrift zu bewegen. Doch Milosevic kommt nicht selbst, sondern schickt nur Vertreter. Das Abkommen läuft auf ein dreijähriges Protektorat hinaus, in dem der OSZE-Chef in Pristina das letzte Wort hätte. Es sieht freie Wahlen und den Aufbau von Autonomiebehörden vor, sowie den Aufbau einer Polizei aus Reihen der UCK. Diese soll bis auf wenige Gewehre entwaffnet werden. Serbische Polizei und Streitkräfte sollen bis auf wenige Einheiten in Kasernen und Grenzbereiche abgezogen und der Kontrolle der NATO unterstellt werden, ebenso wie der Luftraum über dem Kosovo. Nach drei Jahren findet eine Überprüfungskonferenz statt, welche einen Mechanismus für eine endgültige Regelung im Kosovo auf Basis des Volkswillens finden soll. Offenbar ist der letzte Satz aber erst während der Verhandlungen auf Druck der Albaner aufgenommen worden. Obwohl der Satz das Wort "Referendum" vermeidet, ist dieser Teil für die Serben absolut inakzeptabel und ein Grund für die Ablehnung des Abkommens. Der andere ist die Überwachung durch NATO-Truppen, zu denen Belgrad kein Vertrauen mehr hat. Die NATO selbst aber ist nicht gewillt, die Kontrolle z.B. an UN-Truppen abzugeben. So kommt es, dass die Verhandlungen am 19. März 1999 scheitern. ![]() ![]() Am Abend des 24. März 1999 wendet sich Bundeskanzler Gerhard Schröder an die Deutsche Bevölkerung mit folgenden Worten: "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute Abend hat die NATO mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. Der jugoslawische Präsident Milosevic führt dort einen erbarmungslosen Krieg. Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Am 25. März erklärt Verteidigungsminister Scharping: "Die militärischen Aktivitäten der NATO dienen einem politischen Ziel, nämlich die Abwendung einer humanitären Katastrophe bzw. die Verhinderung ihres weiteren Anwachsens." Am 27. März sagt er: "Wir wären ja auch niemals zu militärischen Maßnahmen geschritten, wenn es nicht diese humanitäre Katastrophe im Kosovo gäbe mit 250.000 Flüchtlingen innerhalb des Kosovo, weit über 400.000 Flüchtlingen insgesamt, und einer zur Zeit nicht zählbaren Zahl von Toten." ![]() ![]() Artikel 26 GG stellt bereits die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe. Im 2+4-Vertrag hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, dass das vereinigte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen. Diese Charta jedoch berechtigt die Staaten nicht zum Eingriff in Angelegenheiten die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staats gehören. Tatsächlich stellt bereits am 06. April 1999 ein Privatmann im Auftrag der "Augsburger Friedensinitiative" Strafanzeige. Doch die Generalstaatsanwaltschaft läßt das Verfahren nicht zu. Als Begründung wird angeführt, dass die Bundesregierung sich nicht in der Absicht beteilige, das "friedliche Zusammenleben der Völker zu stören", sondern "eine völker- und menschenrechtswidrige Unterdrückung und Vertreibung der Kosovo-Albaner abzuwenden und zu beenden." Abschließend heißt es: Die Strafanzeige "läßt außer Betracht, daß es der Bundesregierung und ihren NATO-Partnern allein darum geht, die Führung der Föderativen Republik Jugoslawien nach langen vergeblichen Verhandlungen zu bewegen, von einer Unterdrückung der albanischen Volksgruppe im Kosovo abzulassen und zu einer friedlichen Politik zurückzukehren." ![]() Gab es die humanitäre Katastrophe ? Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Machthaber in Belgrad in menschenrechtswidriger Weise gegen die Kosovo-Albaner vorgegangen sind. Solchem sollte immer begegnet werden. Aber die Wahl der Mittel dazu müssen sich an den tatsächlichen Geschehnissen orientieren. Es ist daher zu fragen, ob sich diese tatsächlich so waren, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt wurden. Zwei Lageanalysen - die eine vom Auswärtigen Amt vom 19. März, also fünf Tage vor Kriegsbeginn; die andere vom Verteidigungsministerium vom 23. März, 15.00 Uhr, also einen Tag vor dem Angriff - zeigen ein anderes Bild. Beide Analysen gehen davon aus, dass keine humanitäre Katastrophe unmittelbar bevorsteht. ![]() Der Lagebericht im Verteidigungsministerium: "Das Anlaufen einer koordinierten Großoffensive der serbisch-jugoslawischen Kräfte gegen die UCK im Kosovo kann bislang nicht bestätigt werden." Es wird bezweifelt, dass die VJ dazu überhaupt fähig sind. "Die UCK ihrerseits wird wahrscheinlich weiter versuchen, durch die bekannten Hit-And-Run-Aktionen die serbisch-jugoslawischen Kräfte zu massiven Reaktionen zu provozieren in der Hoffnung, daß diese in den Ergebnissen hinsichtlich Zerstörungen und Flüchtlingen ein Ausmaß annehmen, das sofortige Luftschläge der NATO heraufbeschwört." Zwei weitere wichtige Zeitzeugen: Der eine General Heinz Loquai, damals bei der OSZE zuständig für den Balkan, nach dem Krieg wegen seiner kritischen Haltung außer Dienst gestellt: "Die Legitimationsgrundlage für die deutsche Beteiligung war die sogenannte humanitäre Katastrophe, eine solche humanitäre Katastrophe als völkerrechtliche Kategorie, die einen Kriegseintritt rechtfertigte, lag vor Kriegsbeginn im Kosovo nicht vor." Die andere Norma Brown, US-Diplomatin im Kosovo: „Bis zum Beginn der NATO-Luftangriffe gab es keine humanitäre Krise. Sicher, es gab humanitäre Probleme, und es gab viele Vertriebene durch den Bürgerkrieg. Aber das spielte sich so ab: Die Leute verließen ihre Dörfer, wenn die Serben eine Aktion gegen die UCK durchführten - und kamen danach wieder zurück. Tatsache ist: Jeder wusste, dass es erst zu einer humanitären Krise kommen würde, wenn die NATO bombardiert. Das wurde diskutiert: In der NATO, der OSZE, bei uns vor Ort und in der Bevölkerung.“ Tatsächlich machte Milosevic hier einen weiteren entscheidenen Fehler, indem er seine Kräfte anwies, die Albaner aus dem Kosovo nach Albanien und Mazedonien zu treiben. Damit verlor er nicht nur die öffentliche Meinung in Europa, sondern spielte der Politik in den NATO-Staaten in die Hände. ![]() Die Propaganda beginnt Entsprechend wichtig war es, die moralische Legitimation hervorzuheben. Dies geschah mit solchem Erfolg, dass der Sprecher der NATO - Jamie Shea - sich nach dem Krieg anerkennend äußerte: "Die politischen Führer spielten nun die entscheidende Rolle für die öffentliche Meinung. ... Sie wußten, welche Nachricht jeweils für die öffentliche Meinung in ihrem Land wichtig war. ... Nicht nur Minister Scharping, auch Kanzler Schröder und Minister Fischer waren ein großartiges Beispiel für politische Führer, die nicht der öffentlichen Meinung hinterher rennen, sondern diese zu formen verstehen. Es stimmt mich optimistisch, dass die Deutschen das verstanden haben." Die nachfolgenden Abschnitte zeigen auf, was Jamie Shea meint. ![]() Die KZ-Behauptung Bereits am 28.03.99 vermeldet Verteidigungsminister Scharping, dass es "ernst zu nehmende Hinweise auf Konzentrationslager" im Kosovo gebe. Im Norden von Pristina treibe man Eltern und Lehrer von Kindern zusammen und erschiesse sie vor deren Augen. Die Serbische Bevölkerung sei aufgefordert, ein weißes "S" auf die Türen zu malen um von Säuberungen verschont zu bleiben und im Fußballstadion seien Tausende interniert. Außenminister Josef "Joschka" Fischer versteigt sich mehrfach zu einem Vergleich zwischen Serben und Nazis und ruft mit den Worten "Nie wieder Auschwitz" zum Krieg auf. Bei der KZ-Behauptung bleibt Scharping auch in seinem späteren "Kriegstagebuch" mit dem Titel "Wir dürfen nicht wegschauen." Er beruft sich dabei auf Zeugenaussagen. Allerdings sei es nie gelungen, diese durch eigene Bilder zu belegen. Was er verschweigt, ist das es sehr wohl Aufnahmen von Aufklärungsdrohnen gab. Allerdings haben diese jedoch die Behauptungen zu keiner Zeit bestätigt. Scharping hat darüber hinaus seine Zeugen nie benannt. Dagegen gibt es die Aussage von Shaban Kelmendi, einem kosovarischen Politiker, dessen Haus genau gegenüber dem Stadion liegt. Während des Krieges hat er sein Haus nie verlassen und nach seiner Aussage gab es dort niemals ein Internierungslager. Das Station habe immer nur als Landeplatz für Hubschrauber gedient. ![]() ![]() Am 07.04.99 legt Scharping der Presse eine Broschüre vor. Es handelt sich um die Analyse des "Hufeisenplanes", einem Operationsplan der Serben zur ethnischen Säuberung des Kosovo. Die Planung für den Hufeisenplan habe im Oktober 98 begonnen, die Umsetzung bereits im Januar 99. Und die Broschüre führt Beweise an. Da sind Bilder der verbrannten Häuser von Randubrava und der zerstörten Häuser von Sanhovici. Da sind Texte, welche erklären wie es zu den Zerstörungen kam und den "Hufeisenplan" belegen. So sollen die Häuser in Sanhovici z.B. dadurch zerstört worden sein, indem man im Dachboden eine Kerze anzündete und dann im Keller den Gashahn öffnete. Des weiteren wird auf Dokumente verwiesen, welche man über geheimdienstliche Wege erhalten habe und deren Richtigkeit man überprüft habe. Doch schon das Bild von Randubrava weckt Zweifel, denn es zeigt das Aufnahmedatum April 99. Also wurde die Aufnahme erst nach Beginn der Luftangriffe gemacht, weshalb das Bild kein eindeutiger Beweis für vorher erfolgte Zerstörungen ist. Die Aussage von Shaip Rexhepi - einem UCK-Kämpfer - nährt die Zweifel. Zwischen dem 25. und 26. März sei die Bevölkerung nach Mamush evakuiert worden. Danach hätten die Serben damit begonnen die vierte Kompanie der 129. UCK-Brigade mit Granaten zu beschießen. Auch das Bild von Sanhovici wurde erst im April '99 gemacht. Eine weitere Ungereimtheit ist, dass das Bild gar nicht Sanhovici zeigt, sondern Petershicta. Dort wurde Fatmir Zymeri Monate später nach den Zerstörungen befragt. Nach seiner Aussage entstanden diese bereits im Juni 1998. Damals hatte die UCK dort die serbischen Streitkräfte zurückgeschlagen und wurde anschließend vier Wochen lang mit schweren Waffen beschossen. Selbst die Theorie mit den Kerzen im Dachboden und dem Gashahn im Keller hält einer Überprüfung nicht stand. Da das Gas schwerer ist als Luft, müßte es ein Haus schon Stockwerk für Stockwerk füllen, bis es sich entzünden könnte. Um das zu schaffen müßte man jede Ritze abdichten. Kaum anzunehmen, dass sich jemand die Mühe machen würde. Und selbst wenn, dann würde die folgende Explosion das Haus in Stücke reissen und nicht nur "anzünden". Entsprechend wurde Scharping auch von Journalisten gesagt, dass diese Methode nicht funktioniert. In einer Neuauflage der Broschüre vom Mai '99 sind die Bilder der Dörfer zwar noch vorhanden. Doch die Textzeilen mit der entsprechenden Beschreibung wurde entfernt. Monate später stellen sich die vom Verteidigungsministerium zur Untermauerung des Hufeisenplans vorgelegten Dokumente als Fälschung des bulgarischen Geheimdienstes heraus. Doch bis zum heutigen Tag beharrt Scharping auf der Existenz des Hufeisenplanes und stellt Kritiker als "böswillig und ahnungslos" dar. Zu diesen Kritikern gehört einmal mehr General Heinz Loquai. Dieser konnte die Berichte über den Hufeisenplan aus seiner Tätigkeit bei der OSZE in Wien nicht bestätigen und hat um ein Gespräch im Verteidigungsministerium nachgesucht. "Das habe ich bekommen. Das war im November und dort hat man mir gesagt, es habe kein 'Operationsplan Hufeisen' vorgelegen. Sondern was man hatte, war eine Darstellung der Ereignisse die im Kosovo abgelaufen sind und diese Darstellung konnte man aufgrund der OSZE-Berichte und anderer Berichte nachvollziehen. Aber es gab keinen 'Operationsplan Hufeisen'; so jedenfalls die Fachleute im Verteidigungsministerium." ![]() Das Massaker von Rugovo Am 27.04.99 präsentiert der Verteidigungsminister der Presse Bilder eines Massakers, welches bereits am 29. Januar in Rugovo stattgefunden haben soll. Tatsächlich zeigen die Bilder eine Reihe von Leichen nebeneinander, wie nach einem Massaker. Doch Journalisten erkennen sie als Bilder, welche die OSZE einem Gefecht zwischen Serben und der UCK zugeordnet haben. Die Leichen tragen teilweise Militärstiefel oder Rangabzeichen der UCK. Aber noch könnte das von den Serben arrangiert sein. Also die Frage an den Verteidigungsminister, auf welche Quellen er sich stütze. "Auf OSZE-Beobachter, die vor Ort waren" ist die Antwort. Der erste OSZE-Beobachter vor Ort war der deutsche Polizeibeamte Henning Hensch. Seine Aussage zeigt etwas ganz anderes. "Am Tatort fanden wir einen roten Van, zerschossen, mit offenen Scheiben und insgesamt vierzehn Leichen in diesem Fahrzeug, und drei Leichen lagen außerhalb des Fahrzeuges. In der "Garage" genannten Stallung auf der Rückseite der Farm befanden sich fünf UCK-Fighter in den typischen Uniformen, den dunkelblauen mit dunkelgrün oder grün eingefärbten Uniformen, die dort im zehn Zentimeter hohen Wasser lagen. Und dann ging es noch etwa 300 Meter weiter zu einem zweiten Tatort, an dem wir wiederum vier Leichen fanden, und darüber hinaus sind die Leichen, die der Verteidigungsminister zeigen ließ, dort von den serbischen Sicherheitsbehörden und von mir und meinen beiden russischen Kollegen abgelegt worden, weil wir sie von den verschiedenen Fundorten oder Tatorten zusammengesammelt hatten." Noch am 27.04.99 unterrichtet Henning Hensch den Verteidigungsminister, dass es so wie von ihm dargestellt nicht gewesen ist. Der offizielle OSZE-Untersuchungsbericht zu den Vorfällen von Rugovo geht von einem Feuergefecht zwischen UCK und Serben - nicht jedoch von einem Massaker aus. Doch damals wie heute weist der Minister jeden Verdacht empört von sich. ![]() ![]() NATO-Sprecher Jamie Shea verglich den Kosovo mit den kambodschanischen "Killing Fields" - Verteidigungsminister Scharping sprach von "Leichenbergen". Anfang April bringt das US State Department die Zahl 500.000 Getöteten in Umlauf. Am 18. April spricht David Scheffer - US-Botschafter für Kriegsverbrechen - von "möglicherweise bis zu 100.000 Toten". Ende Juni - am Ende des Krieges - wird die Zahl drastisch korrigiert. Fortan ist die Rede von 10.000 getöteten Kosovo-Albanern. Unmittelbar nach dem Einmarsch der MND in den Kosovo treffen 20 Expertenteams aus 15 Ländern mit 500 Spezialisten ein. Tatsächlich werden einige hundert Leichen gefunden, die das Schreckensbild zu bestätigen scheinen. Aber nach den ersten Funden reist die Kette der Entdeckungen ab. Das FBI inspiziert im britischen Sektor 30 Orte und stößt dabei auf 200 Leichen - nicht jedoch auf die befürchteten Leichenberge. Insgesamt 195 der 529 vermuteten Massengräber untersuchen die Experten zwischen Juni und Oktober 1999. Sie stoßen auf 2.108 Leichen. Ein Großteil davon in Einzelgräbern. Doch machen die Ermittler keine Angaben über Nationalität und Todesursache. Die Toten dürften beiden Seiten angehören und während Kampfhandlungen getötet worden seien. ![]() Bei Izbica sollen 150 Albaner getötet und in Massengräbern verscharrt worden sein. Satellitenfotos, die Erdbewegungen beweisen sollen, werden präsentiert. Belgrad dementiert und zeigt Aufnahmen des Geländes sowie Interviews mit ansässigen Bauern. UN-Ermittler finden nach Kriegsende bei Izbica keine Leichen, aber Spuren die auf die Beseitigung eines Massengrabes deuten. Indizien also, aber keine Beweise. Zurückziehende serbische Streitkräfte hätten in aller Eile in Ljubenic 350 Leichen vergraben. UN-Ermittler inspizieren das Gelände und finden 7 Leichen. Die UCK berichtet von einem riesigen Massengrab in der Trepca-Mine. In einem Ofen seien täglich bis zu 100 Menschen verbrannt und ihre Überreste anschließend in die Minenschächte geworfen worden. Etwa 6.000 Kosovo-Albaner hätten so ihr Leben verloren. UN-Ermittler befürchten in der Mine bis zu 700 Tote zu finden, aber am 11. Oktober wird bekannt gegeben, dass nicht die Spur auch nur eines einzigen Opfers gefunden werden konnte. Mindestens 2000 Leichen wurden in Istok vermutet. Aber am Ende seiner Untersuchung war das spanische Pathologen-Team auf insgesamt 187 Tote gestoßen. Über die Hälfte davon waren allerdings auf den Raketenangriff der NATO auf das Gefängnis in Istok zurück zu führen. ![]() Warum der Krieg ? Es gibt keinen Zweifel das die albanische Mehrheit in der jugoslawischen Provinz Kosovo durch Milosevics Regierung in Belgrad in menschenrechtswidriger Weise mit Repressalien überzogen worden war. Das die UCK nach deren Aufstellung gerüttelt Maß an der Verschärfung des Konfliktes hatte, ändert daran nichts. Denn deren Aufstellung war Folge davon, dass jahrelange Versuche gemäßigter Politiker auf taube Ohren gestoßen waren. Desweiteren kam es mit Sicherheit zu Übergriffen, die Tote kosteten, wenn auch die Wahrheit der jeweiligen Darstellungen irgendwo in der Mitte liegen dürfte. Der letztendlich stattgefundene militärische Eingriff war von daher notwendig und moralisch berechtigt !! Doch das er überhaupt erst notwendig wurde, liegt an Mängeln in der Politik aller europäischen Länder. Milosevic trat mit dem Anspruch "ein Jugoslawien für alle Serben" an und hat über 10 Jahre diese Politik umgesetzt. Zeit genug für wirtschaftlichen und politischen Druck. Doch zeigte sich die Politik Europas zögerlich. Jedes Land hatte "seine Klientel" im "künstlichen Vielvölkerstaat Jugoslawien". Embargos wurden nur unvollständig durchgeführt. Einerseits blockierte man das Land - andererseits handelte man kräftig weiter und hoffierte das Regime in Belgrad sogar. Was fehlte, war der "Runde Tisch" an dem sich die Machthaber Europas über eine gemeinsame Balkanpolitik und deren gemeinsame Durchsetzung hätten einigen können. Ein weiteres kam hinzu. In Bosnien hatte die Allianz sich - mit einigen wenigen Bombenangriffen - durchgesetzt. Aber unbewaffnete UN-Soldaten waren als Geiseln genommen worden. Die Bilder von an Fabriken und Brücken angeketteten UN-Soldaten waren eine Schmach für Europa, dem es sich so nicht mehr aussetzen wollte. Schließlich schickte sich Europa an in der Weltordnung, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, eine gewichtigere Rolle als bisher zu spielen. Wie wollte es dabei ernst genommen werden, wenn es noch nicht einmal so eine "Kleinigkeit" wie das Jugoslawien-Problem in den Griff bekam? Als sich die Lage im Kosovo immer mehr zuspitzte war klar das vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kein Mandat zu erhalten wäre, da Rußland und China ihr Veto einlegen würden. Nach einer Ablehnung im Sicherheitsrat hätte zwar eine Vollversammlung der UN dennoch ein Mandat erteilen können. Ähnlich wie diese Vollversammlung ja während des Krieges den Antrag Rußlands auf Verurteilung der Angriffe ablehnte. Aber eine Vollversammlung hätte auch gegen einen Eingriff entscheiden können und globalpolitisch kam hinzu, dass man wohl auch zeigen wollte, dass man nicht bereit war sich durch eine blockierte UNO in der Durchsetzung seiner Interessen auszählen zu lassen. Eine "letzte Chance" erhielt Jugoslawien in Rambouillet. Aber war es wirklich eine Chance - oder ging es mehr um eine Legitimierung militärischer Handlungen? Waren im Vertrag tatsächlich "unannehmbare Forderungen" enthalten wie Vorwürfe laut wurden? Brachte sich Europa mit Rambouillet nicht selbst in die Lage ohne Gesichtsverlust nicht mehr anders als militärisch reagieren zu können? Die Folgen jedenfalls sind bekannt. Die Operation "Allied Force" lief an - und mit ihr der erste "scharfe Test" der Führungsstrukturen vieler europäischer Streitkräfte. Noch war ein solches Vorgehen ohne die USA nicht möglich. Aber zumindest konnte Europa seine im Umbau befindliche Militärstrukturen ausprobieren. Dabei geht es weniger um die Fähigkeiten zum unmittelbaren militärischen Kampf. Das die jugoslawischen Streitkräfte der geballten NATO-Macht nicht lange würde entgegentreten können, war klar. Schließlich hatte die NATO eine Luftüberlegenheit von 40:1 und am Boden verfügte Jugoslawien über kein Gerät, jünger als 25 Jahre. Es geht viel mehr um die "Organisationsstruktur im Hintergrund". Dieser "Apparat" wurde während "Allied Force" erfolgreich getestet. Zeitgleich konnte der politische Umgang mit der Stimmung in derBevölkerung sowie die Fähigkeiten zur Beherrschung und Bewältigung eines solchen Konfliktes getestet werden. Letzteres gelang. Mit Mühe nur und haarscharf an der Grenze eines notwendigen Einsatzes von Bodentruppen. Die militärischen Fähigkeiten zeigten viele Mängel auf. An deren Beseitigung arbeiten die europäischen Staaten nun mit Nachdruck. Auch die Propagandafehler wurden behoben, wie die veränderte Informationspolitik z.B. bei "Enduring Freedom" zeigt. Weiterhin zu vermissen ist jedoch die Arbeit an den politischen Mängeln die den Kosovo-Krieg erst notwendig machten. ![]() Quellennachweise: Die nachstehenden Quellen wurden zur Recherche des vorliegenden Beitrages genutzt; deren Inhalte jedoch in keinem Fall wörtlich übernommen. Ähnlichkeiten können sich aus der Wiedergabe der Aussagen von Zeitzeugen ergeben. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. November 1998 (Bericht über die Asyl- und Abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien.) "Das Massaker von Racak" - Beitrag von Klaus Hartmann vom Deutschen Freidenker-Verband "Kosovo und Mazedonien" - Gastkommentar von Martin van Creveld in Die Welt "Es begann mit einer Lüge" - Sendung von MONITOR Essay des Südosteuropa-Experten an der Konrad-Adenauer-Stiftung Magarditsch Hatschikjan in der Frankfurter Rundschau über die europäische Balkanpolitik "Strafantrag abgelehnt" - Veröffentlichung der Augsburger Friedensinitiative "Das Verbrechen von Racak" - Dossier der Gesellschaft für bedrohte Völker "Untersuchungen über Kosovo-Krieg rücken UCK ins Zwielicht" - Bericht von Katja Ridderbusch in Die Welt "Krieg nach Gefühl" - Artikel des Hamburger Friedensforschers Dieter S. Lutz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - Wiedergabe bei der dfg-vk "Scharping-Lügen haben kurze Beine" - Artikel von Frank Deichmann, Chefredakteur NOVO "Enthüllungen eines Insiders" - PANORAMA-Bericht des ZDF von Patricia Schlesinger - Wiedergabe der dfg-vk "Konfliktmanagement durch militärische Intervention? - Dilemmata westlicher Kosovo-Politik" - Studien zur Kosovo-Politik von August Pradetto - herausgegeben vom Institut für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr Hamburg "Positionspapier zum Kosovo-Konflikt" - Hintergrundinformationen, Fakten und Argumentationshilfe für GRÜNE und andere Angehörige der Friedensbewegung |